23. März 2023

Pressemitteilung zum Bericht des Weltklimarats

Ökologische Konversion muss ernst genommen werden

Die fortschreitende Erderhitzung ist ein schonungsloser Indikator, der nicht mehr kleingeredet werden darf, betonen die Vorsitzenden des Katholischen Forums, Sonja Reinstadler und Franz Tutzer.

Der jüngste Bericht des Weltklimarats (IPCC) bringt keine Entwarnung, im Gegenteil. Die Erderhitzung, so die ernüchternde Erkenntnis der großen Forschergruppe des Weltklimarats, geht weiter. Ohne tiefgreifende und schnelle Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen wird noch in diesem Jahrzehnt das 1,5-Grad-Limit überschritten werden, so eine zentrale Aussage in diesem Bericht. Die Folgen einer Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze sind bekannt: Zunahme der Extremwetterereignisse, Ernteausfälle, Störung der Wasserkreisläufe, Dürren, Zerstörung ganzer Öko-Systeme und erzwungene Migration. Die Ursachen für die Erderhitzung sind inzwischen hinlänglich bekannt: es sind die von der westlichen Welt seit Jahrzehnten vorangetriebenen industriellen Produktionssysteme auf Basis fossiler Energie und der damit verbundene, auf ständig steigendem Konsum von Waren und Dienstleistungen beruhende Lebensstil. Die Länder des globalen Südens sind nur marginal daran beteiligt, nach wie vor verursachen die wohlhabenden Länder einen Großteil der Treibhausemmissionen, die Folgen der Erderhitzung jedoch tragen zunächst vor allem die Armen der Welt. Langsam aber sicher werden die Folgen einer erhitzten Atmosphäre auch in unseren Breiten spürbar. Lang anhaltende Trockenzeiten und Wassermangel sind deutliche Warnsignale, die wir nicht mehr kleinreden können.

Das Katholische Forum, das Netzwerk engagierter Christinnen und Christen aus 15 Vereinen und Organisationen, erinnert deshalb an die Einladung von Papst Franziskus „Sorge zu tragen für das gemeinsame Haus“ (Laudato sii) und fordert die Landespolitik, die Südtiroler Wirtschaft, die Kirche und die Zivilgesellschaft auf, in ihrem jeweiligen Einflussbereich vom „Weiter so“, vom bloßen Reden ins Handeln zu kommen, das den Warnungen des Weltklimarats gerecht wird. Es geht um nicht weniger als um ein Umdenken, eine ökologische Konversion, weg von einer immer noch wachstumsorientierten Wirtschaftsorganisation hin zu einer demokratisch legitimierten Selbstbegrenzung. Warnende Stimmen hat es in unserem Land schon sehr früh gegeben. Wir erinnern an Bischof Karl Golser, dem die Bewahrung der Schöpfung ein besonderes Anliegen war. Wir erinnern auch an Alexander Langer, der bereits vor mehr als dreißig Jahren die Notwendigkeit einer solchen ökologischen Konversion in unglaublicher Weitsicht angemahnt hat. Ihre Stimme und ihre Botschaft, so die Vorsitzenden des Katholischen Forums, können Orientierung bieten für das heute notendige politische und persönliche Handeln.

23. März 2023

Aus der Mitgliederversammlung: Wahl des Vorstands

Am 6. Februar haben sich die Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen des Katholischen Forums zur jährlichen Versammlung getroffen. Auf der Tagesordnung standen neben dem Tätigkeitsbericht des Vorstands und dem Kassabericht auch die nach drei Jahren fällig gewordene Wahl des Vorstands.
Auf Nachfrage der Vertreter*innen der Mitgliedsorganisationen erklärten sich die beiden Vorsitzenden Sonja Reinstadler und Franz Tutzer bereit, weiterhin für diese Funktion zur Verfügung zu stehen. Ebenso erklärten sich die Vorstandsmitglieder Angelika Mitterrutzner, Roland Feichter und Irene Vieider bereit, für die nächsten drei Jahre im Vorstand mitzuarbeiten. Vorstandsmitglied Gerhard Duregger und der geistliche Assistent Daniel Donner erklärten, aus persönlichen und beruflichen Gründen nicht mehr für den Vorstand bzw. für die Funktion des geistlichen Assistenten zur Verfügung zu stehen. Die Mitgliederversammlung bestätigte einstimmig Sonja Reinstadler und Franz Tutzer als Vorsitzende sowie Irene Vieider, Angelika Mitterrutzner und Roland Feichter als Vorstandmitglieder. Neu hinzukommt als Vorstandsmitglied Werner Atz.

7. März 2023

Ein Manifest der 80Jährigen

Im Herbst 2022 war Marianne Gronemeyer Referentin auf der Tagung des Katholischen Forums. Reimer Gronemeyer hielt ebenfalls im Herbst 2022 auf Einladung des Katholischen Sonntagsblatts einen Vortrag zum Thema “Die Schwachen zuerst”. Nun haben sie ein Manifest zum Krieg in der Ukraine verfasst. Ein Impuls zum Nachdenken.

Ein Manifest der Achtzigjährigen
Die Stimme der Kriegskinder zum Krieg in der Ukraine.

„O Gottes Engel wehre und rede Du darein!
S’ist leider Krieg, und ich begehre
Nicht Schuld daran zu sein.
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was? Mathias Claudius

Unsere Stimme wird in dieser Abenddämmerung unseres Lebens leiser. Das Leise-Werden gebührt uns, es gehört zu den Tugenden des Alters. Was uns nicht gebührt, ist, dass wir resigniert verstummen. Denn wir sind Euch Jüngeren schuldig, dass wir den Mund aufmachen, nicht um Euch zu beruhigen, sondern um Euch zu beunruhigen; und wir sprechen zu Euch, nicht weil wir vor Altersweisheit strotzen, sondern weil wir die Erfahrung des Krieges, die sich uns in den Bombennächten einprägte, ein Leben lang mit uns herumgetragen haben. Das Wort ‚Krieg‘ ist in aller Munde, und es ist beängstigend, wie geschmeidig es sich in das tägliche Sammelsurium der Nachrichten einfügt, als sei ‚Krieg‘ ein Gegenstand wie jeder andere.

Unsere Vorstellungen vom Krieg, entstehen nicht aus den wirkmächtigen Bildern, die uns auf unseren kleinen und großen Bildschirmen aufgetischt werden. Sie tauchen, ob wir wollen oder nicht, auf aus unseren leibhaftigen Erinnerungen und können nicht Ruhe geben: Das Heulen der Sirenen, das die Bomben ankündigte, die Trümmer ein paar Häuser weiter, in denen wir bei Strafe nicht spielen durften wegen der Blindgänger und der Einsturzgefahr; die Bunker, in die wir beinah jede Nacht gebracht wurden und in denen wir dichtgedrängt beieinander saßen; das Entsetzen, wenn nahebei eine Bombe niederging und der ganze Bunker wackelte; und die Finsternis, wenn das Licht erlosch und nur noch ein auf die Wand aufgetragenes Phosphorquadrat eine Illusion von Licht aufrechterhielt; die Sorge, ob das Haus, in dem wir wohnten, noch stand, wenn wir nach dem Bombenangriff aus dem Bunker ‚nachhause‘ gingen; das Kind, das sich in panischer Angst mit Händen und Füßen dagegen wehrte, die Gasmaske aufzuprobieren und die Mutter, die nicht vermochte, ihrem Kind um seiner Sicherheit willen diese Gewalt anzutun; der Hunger, der wehtat; und die Rivalität der Geschwister um das karge Brot; die Frostbeulen, die juckten, aber nicht gekratzt werden durften, weil sie nicht heilten.

Unsere Erfahrung vom Kriegsgeschehen reicht über die Kindheitserlebnisse nicht hinaus, aber das genügt, um uns mit den getöteten, verwundeten und verängstigten Kindern in der Ukraine verbunden zu fühlen und es macht es uns unmöglich, über ihre Leiden hinwegzusehen. Je länger dieser Krieg dauert, desto mehr wird ihr Leben von ihren Kriegserfahrungen beherrscht sein, sie werden, wie wir, Kriegskinder sein. Sie haben keine Stimme, um das Schweigen der Waffen und den Weg der Verhandlungen einzufordern. Wir tun das an ihrer Statt, und wir tun es auch um unserer eigenen Angst vor einer nuklearen Eskalation willen, für die niemandes – wirklich niemandes – Vorstellungsvermögen reicht.

Wie wir später erfuhren, gehörten wir auf die Seite der Angreifer in diesem verbrecherischen Krieg – und waren doch seine Opfer. Und wir mussten lernen, dass die Bombeneinschläge, vor denen wir uns so gefürchtet haben, dem Terrorregime des Hitlerfaschismus ein Ende setzten. Millionen Soldaten, US-amerikanische, sowjetische, britische, französische haben dabei ihr Leben gelassen. Mit dem Widerspruch, dass die, die uns bombardierten, zugleich unsere Befreier waren, mussten diejenigen unter uns, die sich zum Pazifismus bekannten, leben. Zwei berühmte Pazifisten des Ersten Weltkriegs, Albert Einstein und Bertrand Russel „haben sich mit guten Gründen für den alliierten Krieg gegen Hitler-Deutschland ausgesprochen. In dieser dramatischen historischen Situation, in der das Überleben der Menschlichkeit auf der Kippe stand, … machten beide schweren Herzens und voller Überzeugung“ die eine, einzige Ausnahme von ihrem Pazifismus. Nach Kriegsende verstanden sie sich weiter als Pazifisten und „ergriffen wieder und wieder das Wort gegen Koreakrieg, Hochrüstung und Atomkriegsgefahr.“ (Olaf Müller)

Wir fürchten uns vor den Furchtlosen, die erst den Krieg gewinnen wollen, um dann Frieden zu machen. Aber Sieg‘ reimt sich mit ‚Krieg‘, nicht mit ‚Frieden‘. Der Frieden unterstehe uns nicht, sagt Eugen Rosenstock-Huessy: „Er ist nur dem verheißen, der sich nach ihm sehnt. Das begreift kein Planer. Trotzdem ist es wahr: Friede ohne vorhergehende Sehnsucht kann nicht kommen.“ Und er fügt hinzu: „Wo die Menschen sprachlich veröden, droht Krieg. Kalter Krieg meinetwegen. Aber Friede heißt miteinander sprechen.“

Woher soll die Friedenssehnsucht aber kommen in unserem Land, in dem die öffentliche Meinung nach allen Regeln des medialen Know-how darauf eingeschworen wird zu glauben, man könne und müsse gegen eine Atommacht einen Sieg erfechten, um eine günstige Ausgangsposition für das dann erst mögliche Gespräch zu haben? Dass sich die ‚Hoffnung‘ auf ein friedliches – wenn schon nicht Miteinander, so doch wenigstens – Nebeneinander auf immer monströsere Maschinen richtet, deren letzter Daseinszweck darin besteht, zu töten und zu zerstören, macht uns fassungslos. Um dieser pervertierten Hoffnung Geltung zu verschaffen, wird die Hoffnung auf Versöhnung als Ideologie der Schwächlinge diffamiert. Ohne alles Bedenken, ohne Trauer, ohne entsetztes Innehalten wird in dieser ‚Zeitenwende‘ die große Tradition der Friedensstifter für indiskutabel erklärt. Die jesuanische Botschaft von der Feindesliebe, die Gewaltlosigkeit, der Gandhi mit dem Salzmarsch ein politisches Gesicht gab, der zivile Ungehorsam, zu dem Martin Luther King die Unterdrückten ermutigte. Aber auch der Pazifismus Albert Einsteins, Bertrand Russels, Dietrich Bonhoeffers und der vielen namenlosen Anderen, die sich ihnen anschlossen und dafür einstanden, oft mit ihrem Leben, wird mit einem Handstreich für erledigt erklärt; und, statt dass ihre Geschichten erzählt werden, werden sie in die Rumpelkammern der Geschichte befördert; mitsamt der ‚Bergpredigt‘, die uns eindringlich ermahnt, alles stehen und liegen zu lassen und der Versöhnung mit dem verfeindeten Nachbarn Vorrang vor allem
anderen zu gewähren.

Wir warnen: Es ist schlecht um die demokratische Zukunft eines Landes bestellt, in dem die „Wortemacher des Krieges“ (Franz Werfel), das Sagen haben. Sie nennen diejenigen, die Bedenken tragen gegen den Einsatz von immer mehr Waffen, verächtlich Zauderer; diejenigen, die Kompromisse erwägen, werden als Verräter, gebrandmarkt, die Vorsichtigen nennen sie feige, die Besorgten schwächlich und die Pazifisten traumduselig, verrückt oder gefährlich. Wirklich gefährlich ist die viel beschworene ‚Geschlossenheit‘, die alle zu Meinungskomplizen macht. Ohne Gegenstimmen, die sich auch Gehör verschaffen können, gibt es keine Demokratie. Auf eine bestürzende Weise vergehen sich die einflussreichsten Medien an ihrer Informations- und Berichterstattungspflicht und betätigen sich als Meinungsmacher und Volkserziehungsagenturen zur Herstellung der großen Einhelligkeit. Unablässig bestärken sie die Ansicht, dass das ganze Gute auf unserer Seite, der Seite der westlichen Allianz, ist und das ganze Böse jenseits der Demarkationslinie. Versöhnung aber beginnt damit, den eigenen Anteil daran, dass es so weit hat kommen können, redlich zu erforschen und dann auch zu bekennen. Der Papst hat zu Beginn des Krieges die Frage aufgeworfen, ob der völkerrechtswidrige Angriff auf die Ukraine etwas zu
tun habe mit dem „Bellen der NATO vor den Türen Russlands“. Er hat dafür einen Sturm der
Empörung geerntet. Aber nicht diese Frage ist gefährlich für den Bestand der westlichen
Demokratien, sondern ihre Unterdrückung.

„Die Suche nach Wahrheit kann nur gedeihen auf dem Nährboden gegenseitigen Vertrauens.“ (Ivan Illich) Es macht das Wesen des Vertrauens aus, dass es nur dann entstehen und sich bewähren kann, wenn man es wagt. Und die Frage, wer den ersten Schritt tun muss, stellt sich nicht. Es kommt nur darauf an, dass er getan wird.

Wir laden alle ein – seien sie alt oder jung oder irgendwo dazwischen – die darauf bestehen, Andersdenkende zu sein und ihre Haltung im Gespräch mit Andersdenkenden immer neu auf die Probe zu stellen. Eröffnen wir das generationenübergreifende, ungegängelte Gespräch, wo immer sich Gelegenheit bietet oder herstellen lässt. Lassen wir uns von Denkverboten nicht einschüchtern, geben wir der Sehnsucht nach dem Frieden eine Stimme.

Marianne Gronemeyer und Reimer Gronemeyer